B 1NEU: Einführung eines Pflichtfaches „Philosophie und Religionskunde“ für alle Schüler*innen an staatlichen Schulen
Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | 1. Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Säkulare Grüne (dort beschlossen am: 23.01.2019) |
Status: | Modifiziert |
Eingereicht: | 18.02.2019, 16:12 |
Antragshistorie: | Version 1(18.02.2019) Version 1(28.03.2019) |
Kommentare
Benita v. Brackel-Schmidt:
Benita v. Brackel-Schmidt, KV Flensburg
Ann-Kathrin Tranziska:
Anka Grädner:
Josefine Möller:
Wie ich das verstehe wird das Fach dann gespalen in einen gemeinsamen Teil und einen seperaten jeweils für Konfis und nicht-Konfis?
Wenn Reli oben drauf gesattelt würde und nur die Konfis den extra haben fänd ich das ein bisschen benachteiligend. Es werden im Reli-Unterricht ja auch verschiedene Weltanschauungen und Religionskritik behandelt. Das ist kein Missionsunterricht.
Glaubensfragen bleiben ohnehin Aufgabe der Kirche dort gibt es dann: Christenlehre, Konfi-Unterricht, Jugendarbeit etc...
Björn Hennig:
Der Punkt mit dem "Das ist kein Missionsunterricht" ist leider immer sehr wechselhaft. Es gibt viele Lehrer*Innen, die die von dir angesprochenen Punkte auch in ihren Unterricht einbauen. Aber leider gibt es auch oft genug Fälle, wo eben auch der Religionsunterricht genutzt wird, um für die eigene Konfession zu werben. Deshalb ist ein einheitlich-säkularer Religionskundlicher Unterricht aus unserer Sicht der richtige Weg, um hier integrativ statt segregativ zu wirken.
Marlene Langholz-Kaiser:
Marlene (KV Flensburg)
Josefine Möller:
1. Schüler*innen haben freie Wahl zwischen Philo und Reli
2. Meiner Erfahrung nach sind die oben beschriebenen Inhalte auch Bestandteil des Reli-Unterrichtes (Andere Weltanschaungen, Gemeinsamkeiten der 3 Monotheistischen Religionen, Religionskritik) - über alles habe ich im Reli-Unterricht Kontrollen und Klausuren abgelegt.
3. Wenn es euer Anliegen ist, die gemeinsamen Inhalte zu stärken wäre es "logistisch" nicht einfacher den Unterrichtsumfang dafür zu erhöhen und die Lehrpläne anzupassen als ein komplett neues Fach zu schaffen??
Ich gebe zu, dass mich folgender Satz in der Magengrube trifft:
"Die derzeitige Aufteilung in unterschiedliche Gruppen führt nicht dazu, dass sich ein ausreichendes Verständnis für andere Weltanschauungen entwickelt."
Wer Kirche nur aus dem TV kennt (CSU und Kath.-Skandale), der mag zu dem Schluss kommen.
Meine Frage ist: Spiegelt das Fernesehn denn eigentlich immer die breite Realität?
Haben denn alle Reli-Schüler im echten Leben- Nachhilfeunterrichtbedarf - in Sachen Toleranz?
Hierzu meine perönlichen Erfahrung mit Kirche in 4 Bundesländern (2 alte+2neue):
- Wenn es um die Verteidigung der Rechte der Geflüchteten geht: Nächstenliebe an forderster Front!
- GoDi-Besucher, die in den Predigten geduldig zum 1000mal anhören, dass Jesus ein geflüchteter war und wir jene in aller Gastfreundschaft aufnehmen sollen
- der praktisch gelebte Kirchenasyl - mit zig ehrenamtlichen, die sich mit Zeit und Liebe aufopfern
- aktiver Widerstand gegen Rechts: auf Demos und bei Veranstaltungen
- Ich erlebe Haltlosigkeit n den neuen Bundesländern. Dort wo die Kirche bewusst klein gespielt wurde fehlt den Menschen die Orientierung. Die meisten haben Ethik-Unterricht gehabt. Religion ist aber die nötige Story, die den Werten im innersten Wurzeln gibt. Beziehung zu den Geschichten und biblischen Figuren kann in vielen Lebenssituationen helfen
- ich möchte grob schätzen, dass in den Bundesländern mit wenig Kirche und wenig Reli-Teilnahme, die AFD besonders stark ist
- unabhängig von all dem sinken die Mitgliederzahlen in der Kirche (und am Reli-Unterricht) ohnehin!
Kurz:
- ich sehe in Kirche wichtigen Verbündeten in zentralen Themen wie Klimaschutz und Flucht. Die Kirche trägt diese Themen auch in andere Teile der Gesellschaft (unsere konservativen Elternhäuser) hinein.
- Wahlfreiheit und Inhalte ind er Schule sind ohnehin gegeben.
Müssen wir jetzt noch Forderungen aufstellen, die suggerieren Reli-sei ein einseitiges Fach und am aufgeklärten Christentum sei irgenwas verkehrt?
Ahnt ihr, wie viele kirchlich bewegte Grünen-Unterstützerinnen wir damit verletzen?
Im Osten ist es so: Wenn dass bisschen verbliebene Kirche dort weg ist, hat die AFD freie fahrt.
Dort gibt die Religion, den Werten erst ihren Halt und ihre Verbindlichkeit.
SH wage ich nicht einzuschätzen.
Es macht mich dennoch traurig hier einen Antrag zu lesen, der die Glaubensvermittlung an Schulen tendenziell schwächt.
Zudem fürchte ich daraus Auswirkungen auf die Kirche, deren Dienste, nicht nur im Bereich Flucht und Klima, Sondern auch von der Taufe, über den wöchentlichen Gottesdienst, die Trauung, die Seelsorge für Menschen in Einsamkeit und Krisen bis hin zur Bestattung von Bedeutung für unsere Gesellschaft sind.
Mich verletzt, dass der Antrag die positiven Seiten des aufgeklärten Christentums und dessen Vermittlung, - im Sinne der Grünen Werte,- aber auch für die Gesellschaft als Ganzes -, verkennt.
Gerne können wir das Gemeinsame stärken, aber bitte ohne dabei den Reli-Unterricht zu schwächen.
Die Konfessionslosigkeit steigt von ganz alleine.
Das möchte ich nicht unnötig unterstützen.
Ich bin auf dem LPT nicht dabei. Wünsche Euch ein geschicktes Händchen...
Björn Hennig:
An vielen Schulen besteht diese Wahlfreiheit leider nur auf dem Papier, weil es kaum Philosophielehrer gibt oder über die Möglichkeit des Philosophieunterrichts gar nicht informiert wird. Deshalb ist es uns wichtig, mit diesem Antrag auch für klare Strukturen zu sorgen.
"2. Meiner Erfahrung nach sind die oben beschriebenen Inhalte auch Bestandteil des Reli-Unterrichtes (Andere Weltanschaungen, Gemeinsamkeiten der 3 Monotheistischen Religionen, Religionskritik) - über alles habe ich im Reli-Unterricht Kontrollen und Klausuren abgelegt."
Auch hier haben wir in der LAG sehr unterschiedliche Erfahrungen erlebt. Da gab es oft Beispiele, wo der Religionslehrer direkt aus dem regionalen Kirchenkreis kam und "gläubige" Schüler auch bessere Noten hatten. Ein säkularer Staat sollte sich aber auch bei dieser Frage strikt an die Trennung zwischen Staat und Kirche halten.
"3. Wenn es euer Anliegen ist, die gemeinsamen Inhalte zu stärken wäre es "logistisch" nicht einfacher den Unterrichtsumfang dafür zu erhöhen und die Lehrpläne anzupassen als ein komplett neues Fach zu schaffen??"
Zum einen wird das in Bezug auf Religionsunterricht schwierig, weil die Kirchen hier ein direktes Mitspracherecht haben. Zum anderen schaffen wir kein "komplett" neues Fach, da es den Philosophie-Unterricht ja bereits gibt. Wir wollen ihn nur flächendeckend etablieren und um einen religionskundlichen Teil erweitern.
"Ich gebe zu, dass mich folgender Satz in der Magengrube trifft:
"Die derzeitige Aufteilung in unterschiedliche Gruppen führt nicht dazu, dass sich ein ausreichendes Verständnis für andere Weltanschauungen entwickelt." "
Der Satz ist so gemeint, dass Religion beim aktuellen Religionsunterricht als Trennungsgrund fungiert, wenn er die Klasse "nach Glauben" aufteilt. Wir halten das für den falschen Weg, um für mehr religiöse Toleranz zu sorgen. Kindern sollten gemeinsam Religionen entdecken und kennenlernen, dabei würde es ungemein helfen, wenn sie das auch im Klassenverband tun und nicht getrennt nach Glauben. Das ist auch ein Zeichen an aktuelle Bewegungen, die gewissen Zugehörigkeiten an den Glauben knüpfen (Ein Europäer ist Christ etc.).
"Es macht mich dennoch traurig hier einen Antrag zu lesen, der die Glaubensvermittlung an Schulen tendenziell schwächt."
Aus unserer Sicht ist die Schule kein Ort zur Glaubensvermittlung. Das ist Aufgabe der Kirche oder des Konfirmandenunterrichts. In der Schule sollten Religionen vorgestellt, in ihrer historischen Entwicklung analysiert und kritisch hinterfragt werden.
"Mich verletzt, dass der Antrag die positiven Seiten des aufgeklärten Christentums und dessen Vermittlung, - im Sinne der Grünen Werte,- aber auch für die Gesellschaft als Ganzes -, verkennt."
Wo verkennt dieser Antrag denn die "positiven Seiten des aufgeklärten Christentums"? Wir setzen uns lediglich für einen säkularen religionskundlichen Unterricht ein, in welchem Schüler*Innen nicht mehr nach Glauben getrennt werden. Natürlich werden Christentum, Islam und co da auch weiter behandelt, aber eben nicht mehr aus einer konfessionsgebundenen, sondern einer säkularen Perspektive.
"Ich bin auf dem LPT nicht dabei. Wünsche Euch ein geschicktes Händchen..."
Vielen Dank, wir werden unser Bestes geben.
Josefine Möller:
Also ich möchte auch auf jeden Fall, dass meine Kinder einen modernen und weltoffenen Reli-Unterricht genießen können. Dass sie die Texte nicht auswendig, sondern im jeweiligen Kontext einordnen lernen. Dass diskutiert wird etc. Ich habe das Fach sehr positiv erlebt bei einer spannbreite an Weltanschauungen innerhalb der Reli klasse. Und daher empfinde ich es als unfair pauschal zu behaupten man könne im Reli-Unterricht diesen Säkularen Teil, Toleranz und Vielfalt der Weltanschauungen nicht unterbringen. Gerade diese Verbindung hat mir gefallen und die wünsche ich mir auch für meine Kinder!
"Aus meiner Sicht ist die Schule kein Ort zur Glaubensvermittlung"
Meine Erfahrung ist, dass wir Menschen sehr unterschiedlich sind. Ich habe einige enge Freunde, die so überhaupt nichts mit Religion anfangen können und im Philo genau richtig aufgehoben sind. Gleichzeitig erlebe ich auch Menschen, die unglaublich viel Kraft aus der Idee einer Gottesvorstellung schöpfen, die Halt in ihrem Leben finden und dadurch motiviert sind sich in hohem Maße für Mitmenschen und Schöpfung zu engagieren.
Beides ist ok. Ich würde nie auf die Idee kommen zu versuchen den einen zum anderen zu bekehren.
Für mich sind Reli und Philo zwei verschiedene und gleichberechtigte Zugänge zu Ethik.
Beide Wege bekommen die Schüler*innen nicht automatisch im Elternhaus vermittelt. Darum finde ich es richtig beide Wege - als "Zugang" zur Ethik und Geistesfragen - gleichberechtigt in Schulen anzubieten.
Bei der Frage des WIE, denke ich sind wir uns ganz einig. Auswendig lernen war im Mittelalter. In einen modernen Unterricht gehört der Kontext, das Hinterfragen, aus verschiedenen Sichtweisen beleuchten und auch kritisieren dürfen. Wie man das politisch ermöglicht habe ich keine Lösung.
Dennoch würde ich das Weltoffene nicht aus dem Kontext des Reli-Unterrichtes werfen. Ich finde das gehört dazu die eigene Religion im Lichte der anderen Weltanschauungen zu reflektieren und das im gleichen Fach und der gleichen Gruppe.
Wenn "Leute aus der Kirche" den Reli-Unterricht durchführen, sind das in der REgel ausgebildete Theolog*innen die dazu genauso in der Lage sein müssten wie ausgebildete Philosophen. Mir ist schlicht in meinem Umfeld kein Theologe, Pastor oder Fall (außer Reli vor 35 Jahren bei bekannten) bekannt, wo das nicht funktioniert. Darum bin ich persönlich ob des Antrags so sehr irritiert.
Ich sehe auch nicht kommen, das die Einführung eines neuen Faches geduldet würde. Es müsste woanders was wegfallen. Und das wäre vor Lauter Säkularität dann Reli. Und damit fehlt für mich ein Angebot, ein möglicher von vielen, Zugängen zur Geisteswissenschaft/Ethik. Gleichberechtigt ist das aus meiner Sicht nicht.
Die integrierte Stärkung der oben genannten Inhalte mit Wahlmöglichkeit des Schwerpunktes halte ich persönlich für umsetzbarer und wünschenswerter.
Björn Hennig:
"Und daher empfinde ich es als unfair pauschal zu behaupten man könne im Reli-Unterricht diesen Säkularen Teil, Toleranz und Vielfalt der Weltanschauungen nicht unterbringen. Gerade diese Verbindung hat mir gefallen und die wünsche ich mir auch für meine Kinder! "
Wir behaupten nicht, dass dies dort nicht untergebracht werden könne. Wir waren uns nur einig, dass die persönlichen Erfahrungen des Religionsunterrichts sehr weit auseinandergingen. Ich selbst habe teils genauso tollen Religionsunterricht wie du erlebt. Genauso gab es aber auch das Gegenteil wo massiv für einen Beitritt zur Kirche geworben wurde. Um dies zu unterbinden bedarf es eines säkularen Religionskundlichen Unterrichts und das ist mit den Kirchen, die für den "normalen" Religionsunterricht Mitspracherecht haben, leider nicht möglich.
"Meine Erfahrung ist, dass wir Menschen sehr unterschiedlich sind."
Nach wie vor ist die Schule kein Ort zur Glaubensvermittlung. Dafür gibt es Kirche oder Konfirmationsunterricht etc.. Die Schule hat viele Aufgaben, Wissensvermittlung, Persönlichkeitsbildung, kritisches Denken fördern usw., aber sie sollte niemals darauf hinwirken, Schüler im Unterricht zu einem bestimmten Glauben bekehren zu wollen.
"Darum finde ich es richtig beide Wege - als "Zugang" zur Ethik und Geistesfragen - gleichberechtigt in Schulen anzubieten."
Dagegen spricht unser Antrag doch auch nicht. Auch in einem religionskundlichen Unterricht wird sich kritisch mit Religion auseinandergesetzt, vor allem kann dort aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Glaubensrichtungen viel besser diskutiert werden. So ist gesichert, dass Schüler*Innen sowohl einen philodophischern, als auch einen religiösen Zugang zur Ethik bekommen. Das ist im aktuellen Modell nicht möglich.
"Bei der Frage des WIE, denke ich sind wir uns ganz einig. Auswendig lernen war im Mittelalter. In einen modernen Unterricht gehört der Kontext, das Hinterfragen, aus verschiedenen Sichtweisen beleuchten und auch kritisieren dürfen."
Das sehen wir auch so :)
"Dennoch würde ich das Weltoffene nicht aus dem Kontext des Reli-Unterrichtes werfen. Ich finde das gehört dazu die eigene Religion im Lichte der anderen Weltanschauungen zu reflektieren und das im gleichen Fach und der gleichen Gruppe. "
Hier liegt der große Unterschied. Nach Religionszugehörigkeit zu trennen ist aus unserer Sicht ein überholtes Modell. Man trennt ja auch in anderen Fächern wie Geschichte oder WiPo nicht nach Ansichten oder Weltanschauungen. Dort lernen alle unterschiedliche Zugänge zu Wirtschaft oder anderen Dingen kennen und bilden sich dann eine eigene Position. Und es ist auch nicht gesagt, dass der nach wie vor bestehende Religionsunterricht nicht weltoffen gestaltet werden kann. Das liegt dann eben in der Hand des Lehrers.
"Es müsste woanders was wegfallen. Und das wäre vor Lauter Säkularität dann Reli."
Um das noch einmal klarzustellen: Wir verschieben lediglich einen Großteil der religionskundlichen Aspekte in das neue Fach "Philosophie und Religionskunde". Der Religionsunterricht bleibt (im Umfang reduziert) erhalten. Wenn Schüler*Innen also weiterhin interessiert sind, neben dem säkularen Pflichtteil auch den konfessionsgebundenen Unterricht zu besuchen, können sie das gerne machen.
An dieser Stelle noch einmal vielen Dank für deine ausführliche und sachliche Kritik!
Susanne Hilbrecht:
Björn Hennig:
vielen Dank für die Unterstützung! Der Grund ist hier leider der rechtliche Status des Religionsunterrichts, welcher der Kirche durch die Kirchenverträge zugesichert ist. Wir können diesen leider nicht einfach so streichen. Daher dieses Modell, welches aus rechtlicher Sicht funktionieren würde.
Susanne Hilbrecht:
vielen Dank für Deine Rückmeldung. So etwas in der Art hatte ich mir schon gedacht. Allerdings sehe ich dennoch keine Notwendigkeit in dem Antrag noch einmal gesondert zu erwähnen, dass der konfessionsgebundene Unterricht erhalten bleibt und würde den letzten Satz am liebsten komplett gestrichen sehen. Da es ja eine gesetzliche Vorgabe ist, müssen wir uns m.E. gar nicht dazu äußern, solange wir nicht explitzit fordern, dass er wegfällt. Was ich inhaltlich zwar begrüßen würde, aber mit Blick auf den existierenden Staatsvertrag an dieser Stelle nicht diskutieren würde. Wobei ich finde, dass auch dieses Thema für uns GRÜNE kein Tabu sein sollte ...
Björn Hennig: